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Drucken 11-02-2021 | Pandemie

Die Pandemie drängt uns Grundsatzfragen auf

Ein Kommentar unseres Redakteurs: 

Wir wußten es schon länger, viel länger. Wir haben kein Erkenntnis-Problem, sondern ein Umsetzungsproblem. Und es lohnt sich, einmal nach den Gründen zu fragen.

Immer wenn die Politik ein Problem erkennt - meist ein auch wahl-relevantes Problem - dann werden Steuergelder verteilt. Und was passiert? Nichts von Bedeutung. Entweder werden die Gelder nicht abgerufen, weil Entscheidungsträger in der föderalen Struktur nicht in der Lage sind innerhalb eines Bundeslandes die Umsetzung zu organisieren.

Beispiel Digitalisierung der Schulen. Spätestens seit die Bundeskanzlerin das Internet entdeckte, wird davon geredet. Aber nichts passiert. Es fehlt nicht an der Hardware, sondern bereits am schlüssigen Konzept zur Umsetzung. Vermutlich 16 Kultusministerien im Tiefschlaf. Da kommt nicht einmal ein Ministerium auf die Idee eine Fachgruppe zu bilden, um bespielsweise in den kleinen Baltischen Ländern von dortigen Digitalisierungsprozessen zu lernen. Das wäre zumindest ein Zeichen des Willens gewesen.

Noch immer ist die bauliche Substanz und die sanitären Anlagen in zu vielen Schulen eine Katastrophe. Schämen müßten sich die politisch Verantwortlichen dafür. 

Eine ganze Reihe von Versäumnissen fällt uns jetzt in der Pandemie auf die Füsse. Und was ist seit einem Jahr Pandemie geschehen? So gut wie nichts, dafür inakzeptable Ausreden. Insbesondere wenn es um die Modernisierung der Schulen geht. Selbst die naheliegendsten Maßnahmen wurden 2020 nicht umgesetzt: Ausstattung mit Luftfiltersystemen mindestens dort, wo baulich beschränkte Ent- und Belüftung der Klassenräume nicht hinreichend möglich ist. 
Der TüV verfügt über technisches Know-How und ist zum Teil staatlichen Gesetzen verpflichtet. Im Sommer hätte durch diese  bundesweit starke Organisation eine Evaluierung und Standort-Bedarfsplanung für besonders gefährdete Schulen stattfinden können, sodaß die Kommunen daraus Bauaufträge ableiten konnten. 

Was dem Bürger/in besonders auffällt ist die ständige Ausrede, dass im Wege stehende Regelungen die eine oder andere Maßnahme verhindere. Meist ist dann eine angeblich ungenügende Internetverbindung schuld. Oder eine vorgeschriebene EU-Verordnung zur europa-weiten Ausschreibung. Stets hört man mehr Gründe, warum etwas nicht geht, als Vorschläge wie was geht.  

Immer mehr Bürger/innen wünschen sich die Tatkraft, Verantwortungsbewußtsein und Führungsstärke eines Helmut Schmidt zurück. Stattdessen Bedenkenträger und Besserwisser an allen Ecken der Republik, Absicherungsstrategen und Absahner. 

Und immer mehr Bürger/innen erkennen, dass die föderalen Strukturen auf Effizienz, Synergiepotenzial und Zukunftsfähigkeit hin überprüft werden müssen.  

Die strukturellen Fragen, die nicht erst von der Pandemie an die Oberfläche gespült werden, lauten auch:

1. Wie lassen sich die föderalen Strukturen den zeitgemäßen Anforderungen anpassen, um ein höheres Level an Qualität der politischen Entscheidungen und der Erfolgskontrolle zu erreichen? Schlagwort: Klasse statt Masse

2. Wie lassen sich politische Entscheidungen so optimieren, dass ein breiteres, partei-politisch unabhängiges Fachgremium  in die Entscheidungsfindung eingebunden werden kann (weg von intransparenter Lobbyarbeit hin zu öffentlicher Beteiligung und stärkerer Einbindung des Fach-Know-How in der Gesellschaft). 

Wir erleben aktuell um die Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen einen desaströs-bitteren Cuvee von Kompetenz-Wirrwar zwischen EU, Bund und Ländern und Profilierungssüchten Einzelner (Frau von der Leyen inklusive).

Die heutigen und erst recht zukünftigen Anforderungen an Führungskräfte in Wirtschaft und Politik sind wegen ihrer Komplexität, Globalisierung und dem Innovationstempo so anspruchsvoll, dass der/die Einzelne schnell überfordert ist. Auch deshalb stellt sich die Frage nach der Optimierung der Führungsstrukturen.

Reset oder upgrade, der Föderalismus in der aktuellen Form ist nicht zukunftsfähig. (Rainer Willing)