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Drucken 21-03-2023 | Food | Ernährung und Gesundheit | Bio | Online-Shops

Müsliriegel oder Müesliriegel?

In Deutschland ist der Begriff Müsli nicht gesetzlich geregelt, so dass der Müsliriegel nicht hauptsächlich aus Frühstücksflocken und Getreide bestehen muss, dafür aber als Hauptbestandteil Maltitsirup enthalten darf (zuckerfreier Süßstoff).
In der Schweiz verwendet man den Begriff Getreideriegel, da "Müsli" dort kleine Maus bedeutet. Umgangssprachlich hat sich aber "Müesli" in der Schweiz verbreitet, das für kleines Mus und Getreideflockenmischung steht.


Das ist aber längst nicht das Spannendste am Müsliriegel. 

Spannung kommt auf, wenn der Müsliriegel dank seiner Eigenschaften auf größere und wachsende Nachfrage trifft. Der in der Regel junge Sport-treibende und für Convenience empfängliche Mensch in der modernen Gesellschaft ist der ideale Verwender für den gesunden Snack für zwischendurch. Und wenn er zudem lecker ist und ernährungsphysiologisch positive Eigenschaften aufweist, greift Kunde/in dann auch gern tiefer in die Tasche. Das muss auch so sein, weil so eine gesunde Leckerei auch aufwendiger in der Herstellung ist.

Die vielseitigen positiven Eigenschaften eines gesunden Müsliriegels, verbunden mit seinem Konsumpotential in einer gesundheitsbewußten Gesellschaft rufen jetzt zwei sehr unterschiedliche Unternehmertypen auf den Plan:

  1. junge, innovative, begeisterungsfähige und experimentierfreudige, sprich hochmotivierte Gründer beiderlei Geschlechts

  2. hochbezahlte Manager der Lebensmittelindustrie, die das Thema Cerealien als ihr Kerngeschäft beanspruchen

Um zu wissen, worüber man redet, habe ich einen Müsliriegel aus folgenden Zutaten auf einem mit Backpapier ausgelegten Kuchenblech gebacken und das fertige Produkt nach dem Erkalten in 16 Riegel geteilt.

  • 100 g Haselnüsse
  • 100 g Cashewkerne
  • 200 g Haferflocken
  • 125 g getrocknete Cranberries
  • 100 g Sonnenblumenkerne
  • 125 g Butter
  • 120 g flüssiger Honig
  • 2 Eiweiß

Total lecker und das Ergebnis macht Lust auf weitere Experimente. Immerhin bietet der Müsliriegel millionenfache Kombinationsmöglichkeiten.

Allerdings: damit ist ein solches Produkt noch nicht verkehrsfähig.
Was fehlt sind gesetzlich vorgeschriebene Angaben zum Produkt selbst. Und an dieser Stelle wird es stressig und mir wird klar, warum ich auf kleineren Verpackungen, wie einem Müsliriegel, all die geforderten Pflichtangaben gar nicht lesen kann.
Einen Eindruck von den hier gestellten Anforderungen durch die EU-weit einheitliche Lebensmittel-Kennzeichnung erhalten Interessierte beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 

Das soll an dieser Stelle überhaupt nicht kritisiert werden. Wer Lebensmittel-Sicherheit will, der muss notfalls auch Unbequemes in Kauf nehmen und sich per Lupe auf einer bunten Verpackung informieren.

Spätestens an dieser Stelle wagen nur noch ganz wenige Hartgesottene den Sprung in die Selbständigkeit. Und lernen völlig unvorbereitet kennen, was Wettbewerb bedeutet. 

Unter dem Stichwort "Müsli-Streit" finden sich gelegentlich diverse kleine juristische Scharmützel in regionalen Tageszeitungen. Dabei kann man davon ausgehen, dass die meisten Scharmützel garnicht bekannt werden. Etwa, weil der/die Inverkehrbringer/in nach der ersten Abmahnung schon aufgegeben haben. 

Dagegen landete der mächtige Oetker-Konzern am 12.11.2021 eine juristische Sensation, die europaweit für Aufmerksamkeit sorgte.

Das Sensationelle daran war nicht etwa eine besonders knifflige juristische Frage, die wegen der besonderen Herausforderung vor dem BGH landete und von diesem an den EuGH verwiesen wurde.

Das Gegenteil war der Fall und führte dazu, dass sich der Oetker-Konzern eine juristische Watschen einhandelte.

Um was ging es? - Es ging darum, dass auf der Vorderseite der Verpackung des "Vitalis Knuspermüsli Schoko & Keks Angaben zum Brennwert und zu den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz gemacht wurden, die sich ausschliesslich auf eine 40-Gramm-Portion Müsli mit 60 ml Milch und einem Fettgehalt von 1,5 Prozent bezogen." (Zitat bei Spiegel.de)
Solche speziellen Angaben vermitteln dem Verbraucher natürlich keine brauchbaren Vorstellung zu den tatsächlichen Kalorien im Vergleich zu alternativen Produkten. Eine Verbraucherzentrale erkannte darin eine "Kalorienschönrechnerei" und klagte gegen den Konzern.

Sensationell ist auch die Tatsache, dass der beklagte Oetker-Konzern das dünne juristische Eis auf das er sich begab offensichtlich nicht erkannte und nicht sofort einlenkte. So kam es vom höchsten europäischen Gericht zu einer Klarstellung, der es nicht bedurft hätte.

Für die vom Gesetzgeber geforderten Produktangaben gilt im Grundsatz das Gleiche, wie für Preisangaben: sie müssen klar und wahr sein. Damit verbieten sich Produktangaben, die sich nur auf eine konkrete Zubereitungsmöglichkeit beziehen und damit den Vergleich mit Wettbewerbsprodukten erschweren oder gar unmöglich machen. 

Autor:  Carlos Contana