Die Mittelmäßigkeit unserer Politiker ist kaum noch zu ertragen
Es ist für viele Bürger/innen irritierend, wenn manche Zeitgenossen den Angriff Russlands auf die Ukraine als eine Art Computerspiel ansehen. Nicht ausgeschlossen, dass es demnächst Konsolen gibt, die neben 3-D auch Panzerkettengeräusche und Qualm anbieten. Heute hatte ich eine Werbemail im Posteingang, die für die richtige Geldanlage im Ukraine-Russland-Konflikt warb. Vor dem minimalistischen Tiefgang unserer Gesellschaft kann man nur ungläubig den Kopf schütteln.
Als ehemaliger Offizier der Bundeswehr aus den Zeiten des Kalten Krieges (ich wurde 1968 während des Einmarschs des Warschauer Pakts in die CSSR eingezogen) habe ich möglicherweise eine veraltete Sichtweise über das internationale Miteinander zu Zeiten der Globalisierung.
So manche Sichtweisen von Politikern und Medien die Kriegsereignisse in der Ukraine zu kommentieren und zu bewerten wundern mich zwar nicht, signalisieren mir aber ein erschreckendes Maß an Irrationalität, die nicht dem Frieden dient und schlimmstenfalls geeignet ist, den Krieg bis zum Einsatz von Nuklearwaffen herauf zu beschwören.
Irrational ist es beispielsweise Putin als Verbrecher zu bezeichnen und offensichtlich dabei auszuschließen, dass er keinen Atomkrieg vom Zaun bricht. Das ist fahrlässig und Alles Andere, als verantwortungsvolle Politik. Mit dem Vorrücken der NATO an die Grenzen Russlands haben wir Putin sogar eine für die russische Bevölkerung einleuchtende Begründung geliefert. Dass wir nicht auf die Hintergründe dieses Konfliktes schauen und uns um ein möglichst neutrales, faires Urteil bemühen, ist auch kein Qualitätsmerkmal unserer Aussenpolitik, zumal wir am internationalen Frieden ein erhebliches eigenes Interesse haben müßten. Kurzum, unsere Politik ist ein einziges Desaster.
Klar, Krieg darf niemals ein Mittel zur Durchsetzung von Politik sein, aber wie so oft im Leben ist der Anspruch das Eine und die Realität das Andere. Und dann muss man die Realität nüchtern zur Kenntnis nehmen und sich bemühen, die Kuh wieder vom Eis zu nehmen, statt eine ganze Horde hinterher zu jagen.
Sowohl in Russland wie in der Ukraine treiben Oligarchen ihr intransparentes Spiel und sorgen dafür, dass die Politik in diesen Ländern unberechenbar ist. Der Unterschied dort besteht allerdings darin, dass in Russland Putin die Rahmenbedingungen für die russischen Oligarchen setzt, während in der Ukraine die Oligarchen die Rahmenbedingungen für den Präsidenten setzen. Mit Poroschenko war bis vor 3 Jahren sogar ein Oligarch selbst Präsident der Ukraine.
Als ich heute aus dem Bundestag stehenden Applaus für Melnyk dem Botschafter der Ukraine vernahm, konnte ich nur noch mit dem Kopf schütteln.
Wie realitätsfern und desinformiert unsere Politik sich präsentiert ist weder für Russland, noch für die USA Anlaß uns ernst zu nehmen.
Als älterer Mitbürger steht man ratlos und sprachlos da und so mancher wird sich sagen, dass wir das, was da noch auf uns zukommen kann, nicht besser verdient haben.
Auch wenn wir 2001 Putin's Angebot im Deutschen Bundestag zu einer deutsch-russischen Kooperation nicht aufgegriffen haben und stattdessen keine 12 Monate später es der NATO überließen ehemalige Staaten der Sowjetunion zu Beitrittsgesprächen einzuladen, kann das keine Entschuldigung dafür sein, dass die Bürger der Ukraine heute um ihr Leben bangen müssen. Es ist aber ein Beleg dafür, wie wenig wir uns um die Belange unserer Nachbarn wirklich kümmern.
Unsere Fähigkeiten sind leider sehr überschaubar. Und das in jeder Weise, leider.
Das ist die Meinung unseres Redakteurs Rainer Willing, Dipl.-Betrw. und ehem. Zeit-Offizier der Bundeswehr.